Little Miss Monstertruck – Über Geschlecht und Kleidung: Überlegungen zum Weltfrauentag

Es ist schon eine Menge los in den Räumen und auf den Gängen der alten Schule – dabei hat der Basar für gebrauchte Kinderkleidung gerade erst angefangen. Im Hauptverkaufsraum stapeln sich die Klamotten in langen Reihen an- und aufeinander, praktischerweise schon vorsortiert nach Größen. „Mädchensachen links, Jungsklamotten rechts“, erklärt eine freundliche Helferin. Und ich merke, wie ich ins Grübeln komme. Denn die Berge an Rosa, Lila, Pink und Glitzer sprechen für sich. Weil sie automatisch einem Geschlecht zugeordnet werden und schon dank der Sortierung den Eindruck erwecken, nicht für alle zur Verfügung stehen. Abgesehen davon: Eine echt beschränkte Farbpalette, hüben wie drüben. Bei den Jungs: Ein Meer aus Dunkelblau, Grau und Schwarz. „Könnte man das nicht einfach mischen“, überlege ich, und wähle heute bewusst mal die „Mädchenabteilung“. Der Große braucht Hosen – die zumindest sollten doch geschlechtsneutral gestaltet sein, denke ich mir. Turns out: not. Jede, wirklich jede einzelne Hose, die ich aus dem hohen Stapel ziehe, ist mit roten, rosafarbenen oder lila Nähten versehen, vielfach verschnörkelt und in Schleifenform. Es gibt darüber hinaus tonnenweise Herzchen und Krönchen, Zauberstäbe und Einhörner, Schmetterlinge und Kätzchen – die männliche Zeichensprache gegenüber umfasst Bagger, Feuerwehrautos, Dinos, Monster und Piraten.

Die Gretchenfarbe

Ich überlege weiter, ob ich nicht auch Teil des Problems bin, weil ich ja genau diese vermeintlichen „Mädchen-Klamotten“ links liegen lasse und für meine Söhne eine Vorauswahl treffe (zumindest, solange sie sich noch nicht selbst um ihre Garderobe kümmern). Ich sage „Farben sind für alle da“, würde aber auch nichts in Rosa für die beiden shoppen. Und ich glaube, das liegt nicht ausschließlich daran, dass ich dieser Farbe auch für meine Garderobe nichts abgewinnen kann. Es gibt auch Schnitte, die ich nicht für die beiden wählen würde: Puffärmel und Rüschen am Pullibund sind Ausschlusskriterien für mich. Wenn sie sich das wünschen, klar. Aber selbst vorschlagen, als Option unter vielen? Mach ich auch nicht. Aber es geht ja noch weiter: „Little Princess“, „Miss Adorable“, „Girl of Sunshine“ – da steht es ja, Schwarz auf Weiß, also Weiß auf Pink, für wen diese Hosen, Pullis und T-Shirts auf dem Stapel sein sollen. Spätestens jetzt bin ich raus.

Sprache schafft Wirklichkeit – auch auf einem Pulli

Als ich später im Auto sitze und nochmal Zeit zum Nachdenken habe, komme ich zu folgenden Schlüssen:

Toll wäre mehr geschlechtsneutrale Kleidung auch bei den großen, gängigen Labels – also Klamotten in allen möglichen Farben für alle. Ohne Schriftzüge, ohne Kronen oder Baggerschaufeln. Und warum nicht mal der Mut zum Mix, wenn wir zu Texten und Bildern greifen? Ich fänd es so erfrischend, mal einen Pulli mit „Pink Pirate“ drauf zu sehen, einen Glitzerninja oder eine mitternachtsblaue „Miss Monstertruck“. In erster Linie soll Mode doch einfach Spaß machen. Und der liegt ganz sicher nicht für alle Mädchen bloß darin, eine süße, brave Prinzessin zu sein – oder für alle Jungs in wagemutigen Baggerabenteuern auf der Suche nach einem Dino-Ei.

„Es ist egal, was du bist, Hauptsache ist es macht dich glücklich“ (Farin Urlaub, Glücklich)

Bis es soweit ist, erkläre ich meinem Dreijährigen auf die Frage „Ist Gelb eine Jungsfarbe?“, dass er jede Farbe tragen kann, auf die er Bock hat. Und vielleicht nehme ich die beiden beim nächsten Mal einfach mit und lasse sie selbst aus den Stapeln ziehen, was ihnen gefällt. Am Ende sind meine Erwartungen an Klamotten auf dem Basar (bzw. an Kinderkleidung im Allgemeinen) auch nur das, was ich mir insgesamt für meine und alle anderen Kinder wünsche: Eine Wahl zu haben und sich für das entscheiden zu können, was sie glücklich macht.